von Petra Cholewa
1834 wurde die erste deutsche Baptistengemeinde in Hamburg gegründet. Wie es dazu kam und wie sich der Baptismus bei uns weiterentwickelte, werde ich in kurzer Form darlegen.
Der deutsche Baptismus geht zurück auf Johann Gerhard Oncken, der im Jahre 1800 in Varel unehelich geboren wurde. Nach menschlichem Ermessen war das ein recht ungünstiger Start, für Gott jedoch kein Hindernis. Oncken fand eine Stelle als Kaufmannsgehilfe und ging mit 14 Jahren mit seinem Chef zunächst nach Schottland, wo er die Gottesdienste in einer Freikirche besuchte. Später zog er nach London um und bekehrte sich dort in einer Methodistenkirche. Von diesem Zeitpunkt an wusste er sich in den Missionsdienst berufen. Mit 23 Jahren kehrte er als Mitarbeiter einer überkonfessionellen Missionsgesellschaft nach Deutschland zurück, und zwar nach Hamburg. Hier eröffnete er eine Buchhandlung und sorgte von hier aus für die Verbreitung von Traktaten und Bibeln. Darüber hinaus hielt er Erweckungsversammlungen ab unter Seeleuten und in Privatwohnungen. Zum Teil arbeitete er mit einer unabhängigen englisch-reformierten Kirche zusammen, dieser Gemeinde schloss er sich auch an. Die erste deutsche Sonntagsschule, die Bestand hatte, gründete er wiederum gemeinsam mit einem lutherischen Pastor. Allerdings musste er bald aus dieser Arbeit wieder aussteigen, weil er nicht der Staatskirche angehörte.
Seine Tätigkeit war in der Öffentlichkeit heftig umstritten, und es kam immer wieder zu Behinderungen und auch Bestrafungen. Ein Beispiel: Im Dezember 1823 besuchten 10 Personen seine Versammlungen, knapp 3 Monate später waren es 280 Menschen. Daraufhin wurden diese Veranstaltungen verboten.
Oncken kann uns ein Vorbild darin sein wie er unbeirrbar seiner Berufung folgte. Als er mit 84 Jahren starb hatte er allein in Hamburg 1022 Menschen getauft.
Durch sein Bibelstudium und Beobachtung der bekehrten Menschen kam er zu der Überzeugung, dass es nicht ausreicht bekehrt zu sein. Regelmäßig las er mit einer kleinen Gruppe die Apostelgeschichte und bald wurde allen klar, dass die Gemeinde Christi nur aus bekehrten Menschen bestehen dürfe, die auf das Bekenntnis ihres Glaubens getauft waren. Sofort wurde auch in ihnen der Wunsch nach der Taufe wach, aber bis es soweit war, vergingen noch 5 Jahre. Oncken war nämlich nicht bereit sich in England taufen zu lassen, weil er dann zu lange seine Missionstätigkeit hätte unterbrechen müssen.
1833 besuchte der amerikanische Theologe Sears die Gruppe, und er war sehr erstaunt, dass keinerlei Taufunterricht mehr nötig war. Allerdings wurde die Taufe wiederum aus Gründen der Mission verschoben. Als es endlich soweit war, befragte Sears die Täuflinge nach ihrem Bekenntnis und ihrer Bereitschaft zur Nachfolge wie es bei uns auch noch gehandhabt wird. Oncken und 6 andere Gläubige wurden dann durch Untertauchen in der Elbe getauft und am nächsten Morgen, dem 23.4.1834 in Onckens Wohnung die erste deutsche Baptistengemeinde gegründet. Oncken wurde zum Pastor ordiniert und nach amerikanischem Vorbild ein demokratischer Aufbau der Gemeinde beschlossen.
Im folgenden Jahr wurde Oncken Vertreter der Außenmissionsgesellschaft der amerikanischen Baptisten. Dadurch ergab sich eine enge Verbindung nach Amerika. Von dort wurde das deutsche Werk auch viele Jahre finanziell unterstützt. Aber auch die Kontakte nach England pflegte Oncken. So wurde die Gemeinde, die unabhängig entstanden ist, jetzt durch den amerikanischen und englischen Baptismus mitgeprägt.
1836 kam Julius Köbner zur Hamburger Gemeinde. Er war Sohn eines Rabbiners, in Dänemark geboren und hatte sich dann der luth. Kirche angeschlossen. Köbner wurde ein bekannter baptistischer Schriftsteller und Liederdichter. Er schrieb zum Beispiel: „Lobt in seinem Heiligtume“, „Laßt uns tun was er geboten“ und „Rausche unter uns, du Geist des Lebens“. Er wurde ein Mitarbeiter Onckens und diente in den Gemeinden Barmen, Kopenhagen und Berlin als Prediger.
In Berlin schloss sich Gottfried Wilhelm Lehmann der Gemeinde an. Er war pietistisch ausgerichtet. Diese 3 grundverschiedenen Männer, der calvinistische Oncken, Köbner und der Pietist Lehmann, vergeudeten nicht ihre Kraft im Kampf gegeneinander sondern sie waren dazu in der Lage, ihre Unterschiedlichkeit als Ergänzung zu betrachten, zusammen zu arbeiten und den deutschen Baptismus am Anfang zu prägen. Der enge Zusammenhang zwischen Glaubenstaufe und Gemeindemitgliedschaft, die Trennung von Kirche und Staat und die Verbindung autonomer Gemeinden ist auf das angelsächsische Freikirchentum zurückzuführen. Vom Pietismus floss die Betonung der Bekehrung und der persönlichen Glaubenserfahrung und die enge Bindung an die Schrift in den Baptismus ein. Insbesondere Lehmann verdanken wir das offene Abendmahl und die Lieder der Herrnhuter Brüdergemeinde. Auf seine Anregung hin wurde 1857 der norddeutsche Zweig der Ev. Allianz gegründet. Dass die Baptisten sich auch anderen Kirchen verbunden wissen, ist also nicht neu.
Durch Oncken kamen in erster Linie Menschen aus mittleren und einfachen Bevölkerungsschichten zur Gemeinde, die sich bemühten nach Onckens Motto zu leben „Jeder Baptist ein Missionar“. 3/4 aller Männer, die in den ersten 15 Jahren getauft wurden, waren Handwerker, davon wiederum viele Wandergesellen, die stark zur Ausbreitung der baptistischen Bewegung beitrugen. Die Gemeinde war damals noch heftig bekämpft. Wer sich ihr anschloss, rechnete mit Hausdurchsuchungen, Pfändungen, Inhaftierungen und Ausweisungen. 1849 schlossen sich durch Lehmanns Aktivität die inzwischen 25 deutschen mit den dänischen Gemeinden zu einem Bund zusammen. Im Todesjahr Onckens 1884 gab es in Deutschland bereits 165 Gemeinden mit 3200 Mitgliedern. In Deutschland erhielt der Bund 1888 unter dem Namen Bund der Baptistengemeinden seine rechtliche Anerkennung. Innerhalb dieses Bundes blieben die Qrtsgemeinden in jeder Hinsicht autonom. Der Bund nimmt im Auftrag der Gemeinden nur solche Aufgaben wahr, die die Kraft der einzelnen Gemeinde übersteigt oder die alle Gemeinden betreffen.
Die Baptisten haben keinen Kirchenkampf erlebt. Die leitenden Männer sahen die Entwicklung von Römer 13, wo steht, dass jede Staatsgewalt von Gott eingesetzt ist. Als sich aus politischen Gründen 1941 die Baptistengemeinden mit den Brüdergemeinden zusammengeschlossen haben, verzichtete der Bund auf den international bekannten Namen Baptisten und nannte sich nun „Bund Ev. Frk Gemeinden“. Nach dem Krieg verließen 120 der Brüdergemeinden den Bund wieder, während 80 mit 7000 Mitgliedern im Bund blieben. Zwischen diesen Gemeinden unterschiedlicher Herkunft ist durch die Zusammenarbeit und durch Umzüge das Zusammengehörigkeitsgefühl stark gewachsen.
Die einzelnen Gemeinden einer Region sind der jeweiligen Vereinigung und dem Bund angeschlossen, die Vereinigungen ermöglichen eine gezieltere Zusammenarbeit im regionalen Bereich. Auch können Bundesangelegenheiten über die Vereinigung konkreter an die Gemeinden herangebracht werden.
Jetzt noch kurz zu den Werken unseres Bundes:
Das älteste Werk ist der Onckenverlag. Er hat seinen Namen nicht erhalten um Oncken zu ehren, sondern Oncken hat mit 78 Jahren seine Buchhandlung und Schriftenversand dem Bund übereignet. Daraus hat sich der Verlag entwickelt.
Das Predigerseminar nahm 1880 in Hamburg seine ersten Studenten auf. Vorher wurden dort schon seit 30 Jahren Missionskurse von 6 Monaten Dauer durchgeführt. Heute werden unsere Pastoren in einem neuen Komplex in Elstal ausgebildet.
Für den Bund war und ist die Mission von großer Bedeutung. Bereits 1882 gab es eine Mission unter indischen Frauen. Es folgen eine Soldatenmission, Kamerunmission, Seemanns- und Studentenmission und 1907 wurde der erste Bundesevangelist angestellt. Ich will Euch jetzt nicht mit weiteren Bundeswerken langweilen. Nur noch ein paar aktuelle Zahlen zum Schluss:
Im Dezember 2006 gab es in Deutschland 13 Vereinigungen, 845 Gemeinden und 85.031 Mitglieder.