(Predigt von Johannes Fähndrich anlässlich des ökumenischen Pfingst-Gottesdienstes 2017)
2. Korinther 5,14-20:
Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.
Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein; auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt schätzen wir ihn nicht mehr so ein.
Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.
Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute.
Wir sind also Botschafter an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!
Meine sehr verehrte Damen und Herrn Botschafter des Vereinigten himmlischen Königreiches, es ist mir eine Ehre und Freude, heute hier vor Ihnen als Repräsentanten Gottes sprechen zu dürfen. Wir sind Botschafter an Christi statt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Botschafter – lassen Sie sich eigentlich gerne drängen? Ich vermute eher nicht.
Man möchte doch so seinen eigenen Rhythmus haben, sein eigenes Maß. Und gerade Wolfenbüttel ist ja nicht bekannt für ausgeprägt hektische Lebensweise.
Aber doch – sehr verehrte Botschafterinnen und Botschafter – vieles drängt. Die Zeit drängt, der Beruf, beim einen sind es noch die Abiturprüfungen, beim anderen ein dringender Arztbesuch, beim einen drängt die Einsamkeit, beim anderen vielleicht die Verwandtschaft. Es gibt Dringendes und Drängendes in der Welt in uns und um uns herum.
Können wir uns vielleicht nur aussuchen, wovon wir uns drängen lassen? Die Liebe Christi drängt uns. Das hören wir jetzt in diesem Gottesdienst übrigens mittlerweile gerade das 14. Mal.
Die Liebe drängt! Es lohnt sich, sich mal zu besinnen, wozu schon alles die Liebe, die ganz menschliche Liebe, einen drängen kann. Angefangen bei Mutterliebe, Vaterliebe, Verliebtheit, Menschenliebe – was für Taten und Leistungen werden aus Liebe vollbracht!
Und die Liebe Christi – wozu hat die uns nicht schon gedrängt!? Wenn wir von der Liebe Christi hören und dass sie uns drängt, dann wollen wir doch um Himmels willen nicht immer nur noch einen Appell hören, uns jetzt noch mehr und noch doller und noch stärker für das Evangelium einzusetzen. Als ich zum Beispiel vor ziemlich genau drei Monaten diese Kirche zum ersten Mal betreten habe, war das am Weltgebetstag. Und wie war dieser Gebetsabend kreativ und liebevoll und mit viel Manpower – beziehungsweise viel mehr Womenpower – vorbereitet!
Die Liebe Christi drängt uns; in der Diakonie. In der häuslichen Altenpflege. Sie hat viele von uns ins Ehrenamt oder ins Pfarramt gedrängt. Die Liebe Christi drängt uns immer wieder zum Studium und zur Stille. Sie führt uns in die Anbetung und in die Fürbitte. Die Liebe Christi drängt uns zum Zuhören und zu guten Taten.
Sie hat uns ja sogar gedrängt, am Montagmorgen hier in einen Gottesdienst zu gehen, wenn wir genauso gut auch hätten ausschlafen oder einen Spaziergang machen können. Wir sind doch nicht hier, nur um den anderen unseren neuesten Schlips oder Jackett zu zeigen.
Sondern wegen der Liebe Gottes. Wegen der Liebe, die Gott uns gezeigt und geschenkt hat – und weil er dadurch Gegenliebe in uns geweckt hat zu ihm. Wir sind Botschafter. Die Liebe Gottes drängt uns, weil sie ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Natürlich drängt die Liebe Christi uns auch noch weiter. Das ist ja ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Die Liebe Gottes hat uns also noch nicht fertig gedrängt. Und hier geht es um mehr als nur: seid bitte anständig und nett zu euren Nachbarn.
Denn. Vielleicht ist Ihnen das aufgefallen, Sie können auch gerne in den Gottesdienstheften noch mal nachlesen: unser Predigttext aus dem 2. Korintherbrief beginnt mit dem Wörtchen „Denn“. Es geht also um eine Begründung. Man wird ein bisschen neugierig, was denn da begründet wird und es scheint so, als hätte der Vorbereitungskreis den Predigttext extra genau an dieser Stelle abgeschnitten wie die Folge einer Krimiserie, die ausgerechnet an der spannendsten Stelle abbricht.
Ich kann Ihnen sagen: es lohnt sich nachzulesen, was dort vorher steht, vielleicht direkt heute Nachmittag, an welchem gemütlichen Ort Sie sich dafür auch Zeit nehmen wollen. Nur so viel will ich Ihnen schon verraten: das „denn“ hat es in sich! Denn – so heißt es in den Versen vorher – denn Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben! Und diesen göttlichen Reichtum haben wir in zerbrechlichen Gefäßen – heilige Gotteskraft in löchrigen Pappkartons. Denn es soll sichtbar werden, dass die überströmend wunderbare Kraft aus Gott kommt und nicht aus uns. Wenn also Leute sich über die Kirche wundern, dann wundern sie sich zurecht. Sie fragen sich: Wie kriegt ihr das hin? Da streitet ihr euch, zankt und verflucht euch gegenseitig und spaltet euch – und predigt munter weiter von der Liebe und der Versöhnung. Und schon 500 Jahre später feiert ihr wieder miteinander Gottesdienst!
Irgendwann haben sich inzwischen noch die Baptisten und die neuapostolische Kirche abgespalten – und jeder einzelne Gruppensplitter dieser Splittergruppen bekennt weiter tapfer: es ist ein Herr und ein Glaube und… naja, eine Taufe, ja auch das. Und wenn uns jemand fragt: wieso gibt es euch Christen und Kirchen denn eigentlich immer noch? Wieso redet ihr bei all diesen Menschlichkeiten weiterhin vom Göttlichen?
Dann müssen wir sagen: keine Ahnung. Es muss wohl wirklich was mit Gott zu tun haben. Denn – auch das steht in den Versen vor unserem Predigttext: der äußere Mensch zerfällt – aber der innere wird von Tag zu Tag aufgebaut.
Und das gilt auch für die Kirche; könnte das sein? Dass die äußere Form der Kirche, die Institution, das was man menschlich so organisieren kann, immer weiter oder zumindest immer mal wieder zerfällt – und trotzdem mitten da drinnen das Eigentliche entsteht, wächst, sich ausbreitet?
Das muss wohl mit Gott zu tun haben. Mit Jesus. Der eben mehr ist als ein Mensch.
Mehr war als das Baby, das zu Weihnachten geboren wurde – wie niedlich; mehr als der Zimmermann, der sich Splitter eingerissen hat und auf den Daumen gehauen – wie menschlich; mehr als ein Prediger, wie inspirierend, und mehr als ein Heiler – wie hoffnungsvoll. Jesus, mehr als ein Lehrer guter Sitten – wie anständig; mehr als ein Vorbild – motivierend und anstrengend zugleich. Das ist alles schön – aber Jesus ist mehr: Gott in Person. Mehr als ein Mensch. Wir kennen ihn nicht mehr nur nach menschlichen Maßsstäben. Es geht um mehr als um Menschliches, es geht um das Leben – das ganze Leben.
Und es geht um den Tod – zunächst einmal seinen Tod. Nicht nur, dass Jesus Christus gelebt hat und gestorben ist – sondern vielmehr, dass er gestorben ist und wieder lebt – und immer noch lebt. Und diese verrückte Tatsache gibt uns Kraft.
Durch diese Tatsache und unseren Glauben fließt durch den heiligen Geist beständig Gottes Kraft in unser Leben, Glaube, Liebe, Hoffnung! Ganz genau erklären können wir das auch nicht. Obwohl, versuchen sollen wir schon!
Denn als Botschafter repräsentieren wir unser Heimatland in einer fremden Kultur und fremden Sprache. Unser Bürgerrecht ist im Himmel, sagt die Bibel. Mit dem Herzen im Himmel, aber mit beiden Beinen auf der Erde. Als Botschafter kennen und respektieren wir die Sitten und Gebräuche unseres Gastlandes – dieser Welt und dieser Zeit – wir leben aber loyal nach den Sitten und Gebräuchen unseres himmlischen Heimatlandes. Die Sprache unseres Gastlandes sollen wir natürlich flüssig verstehen und sprechen; ein gewisser Akzent unserer himmlischen Muttersprache wird uns dabei erlaubt bleiben. Gottes ewige Liebe und Wahrheit im Deutsch des 21. Jahrhunderts. Sicherlich haben wir, meine sehr verehrten Damen und Herren Botschafter, da noch manches zu lernen.
Aber wenn jemand dann neugierig wird, und unser Heimatland, das Vereinigte Himmlische Königreich näher kennenlernen möchte, sagen wir: Wir sind Botschafter, wir können dir ein Visum ausstellen. Der großartig barmherzige König selber möchte dir gerne selber alles verständlich machen. Und Wir können dich mit ihm in Kontakt bringen.
Letztes Jahr im September habe ich eine größere Fahrradtour gemacht und kam dabei auch nach Augsburg. Dort gibt es ein Gebetshaus; ein Haus, in dem manchmal rund um die Uhr gebetet wird. Ich fragte die Mitarbeiter dort, was sie so von Gott wahrnehmen; wenn sie so leidenschaftlich beten, was Gott sozusagen auf ihre Tagesordnung gesetzt hatte. Und eine junge Mitarbeiterin sagte mir: Ein Schwerpunkt bei uns ist derzeit Evangelisation durch Gebet. Sie versuchen nicht, Menschen mit vielen Argumenten und langen Gesprächen den Glauben zu erklären. Sondern sie beten für die Menschen und lagen sie dann direkt zum Gebet ein. Eine direkte Einladung zur Audienz im Thronsaal des himmlischen Königs.Wenn das jetzt für Sie eben so neu ist, wie es das für mich in diesem Moment war, merken wir: da ist schon viel Neues geworden, das Alte ist vergangen – aber gibt auch noch das, was Gott wirkt und wirken wird.
Was wird dann noch kommen? Nicht wahr, ein bisschen heiliger geht es immer. Und weil Gott Gott ist, hat er zu allen Zeiten noch ein Ass im Ärmel, einen Plan über unsere Möglichkeiten hinaus…
Letztes Wochenende traf ich in Berlin mit meinen Kollegen Christoph Haus, Generalsekretär unserer international tätigen europäisch baptistischen Mission. Er berichtete mir hoch erfreut und… ja, beglückt über seine Arbeit, die er nun seit fast zehn Jahren tut im internationalen Austausch. Und dann erzählte er mir von einer Sache, die für ihn besonders beglückend und herausfordernd zugleich ist: die Art von Christen aus anderen Kulturen, mitunter sehr direkt von der Hoffnung ihres Glaubens zu reden. Er war gerade mit einem afrikanischen Kirchendirektor unterwegs gewesen – und sie waren miteinander Bahn gefahren. Der Afrikaner fragt ihn: warum reden die Leute nicht miteinander? Warum guckt jeder nur auf sein Smartphone? Und dann hatte er die Mitreisenden angesprochen: schönen guten Tag, mein Name ist Soundso, ich komme aus Afrika – wollen Sie mir vielleicht etwas von ihrem Glauben erzählen? Mein Kollege wurde darüber nervös und sagte: das macht man bei uns nicht so. Nach dem Knigge soll man andere Leute nicht auf religiöse Themen ansprechen. Aber der Afrikaner hatte wohl sinngemäß nur geantwortet: nach der Bibel schon.
Wir sind Botschafter an Christi statt. Die Liebe Christi drängt uns. So ermahnt Gott gewissermaßen durch uns und wir bitten: lasst euch versöhnen mit Gott!
Steht uns dabei irgendetwas im Wege? Eigentlich nichts. Wir haben alle Freiheit dazu, die Liebe und die gute Botschaft Gottes weiter zu sagen – in Europa von Portugal bis zum Ural. Steht uns etwas im Wege? Vielleicht nur diese paar Mauersteine, die wir hier vor uns sehen. Mauern können schützen – oder trennen. Mauern sind ganz praktisch, deswegen haben wir sie ja. Wenn wir keine Mauern hätten, wäre es bei jeden von uns zu Hause deutlich ungemütlicher. Und wir würden heute einen Freiluftgottesdienst feiern. (Anfang Juni mag das ja noch o. k. sein) Aber es gibt Mauern, die trennen und behindern. So wie diese hier. Sie stehen uns im Wege.
Das steht unserem Auftrag, das steht dem Reich Gottes im Wege und damit unserer Berufung als Botschafter, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Hass und Verachtung, Verleumdung und Diskriminierung, Verfolgung, zerbrochene Gemeinschaft, das stört! Intoleranz und Religionskriege; Trennung, Machtmissbrauch, Gleichgültigkeit und Hochmut – das steht Gott im Wege!
Und wo Mauern nicht schützen, sondern dem Willen Gottes im Wege stehen, gehören sie abgebaut. Da wollen wir Hand anlegen, damit Böses zurückgedrängt wird und die Güte Gottes Platz bekommt. Dann nutzen wir die Steine von alten trennenden Mauern, um mit dem Kreuz neue verbindende Brücken zu bauen.
Und wenn wir uns dabei die Hände schmutzig machen – wir sind Botschafter der Versöhnung. Ob wir die Hände falten oder ausstrecken oder sie uns schmutzig machen,
Botschafterinnen und Botschafter sind die erste Klasse des diplomatischen Dienstes. Sie repräsentieren als oberste Vertreter in Person ihr Heimatland
Und ihre Anrede lautet: Exzellenz!
Amen